26 Ocak 2015 Pazartesi

Intertextualität in Christa Wolf`s Störfall


Störfall – Nachrichten eines Tages

Der 1987 erschienene Roman “Störfall-Nachrichten eines Tages” von Christa Wolf ist nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl verfasst worden und berichtet von 2 Störfällen. Zum einen wird die Explosion im Kernreaktor thematisert und zum anderen die Gehirnoperation des Bruders der Erzählerin.

Bezüglich meines Themas möchte ich mich auf die Analyse der intertextuell intergrierten Texte  konzentrieren. Die Autorin hat reichlich auf bereits vorhandene Werke Bezug genommen,  die ich wie folgt auflisten möchte:

1.        The Dragon of Eden. Speculations on the Evolution of Human Intelligence -  Carl Sagan
2.        Das sogenannte Böse. Zur Naturgeschichte der Aggression – Konrad Lorenz
3.        Die Vögel und der Test – Stephan Hermlin (Seite 11)
4.        Die Forelle – Gedicht von Christian Friedrich Daniel Schubart, als Lied komponiert von Franz Schubert (Seite 11)
5.        O Himmel, strahlender Azur – Bertholt Brecht (Seite 15)
6.        So scheiden wir mit Sang und Klang – Hoffmann von Fallersleben (Seite 15)
7.        Maria Stuart – Friedrich Schiller (Seite 16)
8.        Die Milch – Stephan Hermlin (Seite 23)
9.        Das Gedicht “1940” – Bertholt Brecht (Seite 36)
10.     Mailed – Johann Wolfgang von Goethe (Seite 47)
11.     Der Mensch erscheint im Holozän – Max Frisch (Seite 56)
12.     Predigt “Himmelfahrtstag” – Martin Luther (Seite 61)
13.     Abel und Kain – Bibel (Seite 65)
14.     Erinnerungen an die Maria A. – Bertholt Brecht (Seite 65)
15.     Zeitschrift mit dem Artikel “Wissenschaft von Star Wars” (Seite 75)
16.     Faust – Johann Wolfgang von Goethe (Seite 76ff)
17.     Brüderchen und Schwesterchen – Gebrüder Grimm (Seite 86)
18.     Hindsight – Charlotte Wolff (Seite 100)
19.     Goldene Abendsonne (Lied) – Anna Barbara Urner (Seite 104)
20.     Gyges und sein Ring – Hebbel (Seite 120)
21.     Herz der Finsternis – Joseph Conrad (Seite 127)
22.     Die drei Männlein im Walde – Gebrüder Grimm (Seite 130)


Zu  Beginn des Romans wird der Leser mit den Zitaten von Carl Sagan und Konrad Lorenz  konfrontiert.

Ich möchte zunächst auf das Zitat von Carl Sagan

“Die Verbindung zwischen Töten und Erfinden hat uns nie verlassen. Beide entstammen dem Ackerbau und der Zivilisation.”, aus seinem Werk “The Dragon of Eden. Seculations on the Evolutoin of Human Intelligence”

eingehen, das wir sowohl auf der ersten Seite als auch auf Seite 74 wiederfinden können,

“Die Verbindung zwischen Töten und Erfinden (….) . Kain, der Ackerbauer und Erfinder? Der Gründer der Zivilisation? Es sei schwer, die Hypothese zu widerlegen, dass der Mensch selbst, durch Kampf seinesgleichen, durch Ausrottung (…). So wurde der Mensch sich selbst zum Feind?” .

 Wie wir aus diesem Zitat entnehmen können,  möchte die Erzählerin auf die Vor- und Nachteile von technischen Erfindungen aufmerksam machen.

Sie setzt die Aussage Carl Sagans mit der biblischen Geschichte von “Kain und Abel” in Verbindung und konzentriert sich im Laufe des Paragraphs auf die Nutzung und Zerstörung der von Menschen zur “Verbesserung” des Lebens entwickelten Technik, wobei sie Kain als Ackerbauer und Erfinder, sowie Gründer der Zivilisation darstellt. Dennoch ist er der Mörder seines eigenen Bruders. Auch der Kernreaktor sollte den Menschen Nutzen bringen, jedoch hat es die Lebensqualität der Menschen zerstört.

Carl Sagan kritisiert mit dieser Aussage die Kernenergie. Christa Wolf, die ebenfalls nicht positiv auf die Kernenergie eingestellt ist, benutzt dieses Zitat als Brücke, um ihre Meinung widerzuspiegeln.

Desweiteren lesen wir, wie bereits erwähnt, den folgenden Ausschnitt aus Konrad Lorenz’ Werk “ Das sogenannte Böse. Zur Naturgeschichte der Aggression”

“Das langgesuchte Zwischenglied zwischen dem Tier und dem wahrhaft humanen Menschen sind wir”.

Hiermit möchte die Verfasserin den Leser dazu anregen, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Diese Aussage unterstreicht die Verbindung von Fortschritt und Zerstörung miteinander, deren Kreis nur durch die Einsicht der Verantwortung durchbrochen werden kann.

Schon bevor der Rezipient sich dem Roman wenden kann, wird er angeregt, sich Gedanken über die Entwicklung der Technik zu machen. Die Aufmerksamkeit wird darauf gelenkt, dass der positive Gebrauch die Welt verbessern kann, das Gegenteil aber zur Zerstörung unseres Planeten führt.








Mit dem Sonett “Die Vögel und der Test” von Stephan Hermlin

Die Vögel und der Test

Von den Savannen übers Tropenmeer
Trieb sie des Leibes Notdurft mit den Winden,
Wie taub und blind, von weit- und altersher,
Um Nahrung und um ein Geäst zu finden.

Nicht Donner hielt sie auf, Taifun nicht, auch
Kein Netz, wenn sie was rief zu grossen Flügen,
Strebend nach gleichem Ziel, ein schreiender Rauch,
Auf gleicher Bahn und stets in gleichen Zügen.

Die nicht vor Wasser zagten noch Gewittern
Sahn eines Tages im hohen Mittagslicht
Ein höheres Licht das schreckliche Gesicht

Zwang sie von nun an ihren Flug zu ändern.
Da suchten sie nach neuen sanfteren Ländern.
Lasst diese Änderung euer Herz erschüttern…

und dem folgenden Zitat

“Nicht unvorbereitet,  doch ahnungslos werden wir gewesen sein, ehe wir die Nachricht empfingen. War uns nicht, als würden wir sie wiedererkennen? Ja, habe ich eine Person in mir denken hören, warum immer nur die japanischen Fischer. Warum nich auch einmal wir. Die Vögel und der Test” (Seite 11)

wird  der Leser an den Wasserstoffbombentest “Bravo” erinnert, der 1954 von der US-Regierung im Bikini-Atoll, einem Gewässer im Pazifischen Ozean, vollzogen wurde.

Nach Berichten wurde der Test trotz der Änderung des Windes, wodurch die dem Versuchsgebiet naheliegenden Inseln und die Besatzung eines japanischen Fischerboots namens “Funkuryu Maru” (Glücksdrache) bedroht waren, nicht verschoben. Durch diesen Versuch waren sowohl die Einwohner als auch die Fischer auf dem Boot von dem darauf folgenden Fallout, dem radioaktiven Niederschlag, betroffen. Nachher litten sie schwer an den Symptomen der “Strahlenkrankheit”.

Folglich kann man festhalten, dass jegliche Verbindung mit der Atomenergie, sei es die zivile Nutzung in Kernkraftwerken oder die militärische, die Auswirkung einer bewussten Explosion bzw. eines  Unfalls, die Bedrohung der menschlichen Existenz und der Natur bedeuten.


Der zitierte Vers “O Milch unfrommer Denkart, bittrer Trank” aus dem Sonett “Die Milch”, ebenfalls von Stephan Hermlin, unterstreicht noch einmal die katastrophalen Folgen des Reaktorunfalls.

“-obwohl ich andererseits nicht dringend habe wissen wollen, wie die überaus saftige grüne Wiese vor dem Haus sich auf der Skala eines Geigerzählers heute angenommen hätte” (Seite 22),

“Blattgemüse und Spinat kriege man sowieso nicht zu kaufen, und frische Milch gebe sie den Kindern nicht mehr, hat die jüngere Tochter gesagt (O Milch unfrommer Denkart, bittrer Trank…)” (Seite 23).

Um diese Zitate erläutern zu können, möchte ich Ihnen vorerst das Sonett vorstellen:

Die Milch

Ein seltsames Gras wächst auf im grünen Feld.
Ein neuer Regen hat es da benetzt.
Es weiden Herden unterm Wolkenzelt.
Was ist euch, dass ihr euch darob entsetzt?

Hier waechst die Milch heran, die Kinder naehrt.
Sie sind kaum da. Doch ihre Zeit ist um.
Einst mütterliche Milch, die sie versehrt,
O du, tückisch durchblüht vom Strontium…

Wer mit den Seuchen da zu Rate saß,
Ehe mit seiner Raubwelt er versank,
Plante Misswuchs und Tod in einem Glas

Voll weisser Milch. Die macht Gesunde krank.
Wer hat in Gift gekehrt dich? Wer? Und was?
O Milch unfrommer Denkart, bittrer Trank…





Die Erzählerin, die die Nachrichten aus dem Radio verfolgt, hört die Warnung “Nichts Grünes. Keine Frischmilch für Kinder”. Durch den Reaktorunfall sind die für den menschlichen Körper wichtigen Vitamine vergiftet worden.

Das Ausmaß  der vergifteten Milch wird mit dem im Sonett erwähntem chemischen Element “Strontium”  hervorgehoben. Wissenschaftler haben festgestellt, dass das Strontium 90, das dem Calcium ähnelt, über die aus radioaktiven Weiden entstammende Milch in den menschlischen Organismus eintritt und Leukämie hervorruft.

In Verbindung mit der Gehirnoperation ihres Bruder erwähnt die Erzählerin den Geigerzähler, ein Gerät, das Ausschluss über eine nukleare Strahlenbelastung sowie deren Ausmass angibt.

“Woher soll ich wissen, mit welchen Sinn oder mit welchen Sinnen du vielleicht alles, was ich mir noch so verstohlen vorstelle, in dich aufnimmst. Sehen hören riechen schmecken tasten – das alles soll sein? (…) Wenn auch das Verlangen nach einem eingearbeiteten Geigerzaehler eher anmassend klingen mag, sogar humoristisch. Wer hätte vor diesen Millionen von Jahren voraussehen sollen, dass gerade er einmal unsere Überlebenschancen als Gattung verbessern würde –“(Seite 22)

An dieser Stelle spricht die Erzaählerin die Operation an und verdeutlicht, dass die Sinne des Bruders betroffen sind, implizit macht sie jedoch auf das Strontium aufmerksam, das in Staubpartikel gebunden durch die Luft fliegt und durch das Einatmen “aufgenommen” wird und mit einem herkömmlichen Geigerzähler nicht nachgewiesen werden kann.

Desweiteren bezieht sich die Autorin Christra Wolf  in Verbindung mit dem Kernreaktorunfall auf das Vorhaben der Wissenschaftler, die sie mit dem Protagonisten der Tragödie “Faust” von Johann Wolfgang von Goethe vergleicht.

Die Erzählerin “greift nach  einer Zeitschrift”, dessen Name nicht erwähnt wird. Die Artikelüberschrift lautet “Die Wissenschaftler von Star Wars”. Der Bericht handelt von einem “modernen Faust”, einem jungen Wissenschaftler namens Peter Hagelstein, der auf die Erfindung eines Röntgenglasers für wissenschaftliche Zwecke fixiert sei, um sich mit dieser  Erfindung den Nobelpreis zu holen. In Zusammenhang hierzu erinnert sich die Erzählerin an ihren Aufenthalt in den USA, wo sie sich den Film “Star Wars -  The Return of the Jedi” in einem Kino angeschaut hatte, bei dem sowohl schwarze als auch weisse Zuschauer von der Vernichtung mit Strahlenwaffen begeistert waren.

“Ich musste nur zuerst an die junge schwarze Frau denken, …, und wie der gesamte Saal, fanatisch Anteil nahm an den Weltraumschlachten der guten, weissen Sternenkrieger gegen die bösen, schwarzen. (…) die junge Schwarze … mit schriller Stimme schrie: Kill him! Kill him! (…) Die Waffen, die da benutzt wurden waren allerdings Strahlenwaffen, und ich habe mir vorgestellt, dass der Regisseur … sich mit den Satrwarriors in Livermore beraten hatte ….” (Seite 78)

Mit diesem Satz nimmt sie Bezug auf die Lawrence Livermore Laboratories, die an der Planung und Entwicklung von Kernwaffen mitwirken. Goethes’ “Faust”  baut die Autorin in ihr Werk mit ein, indem sie die Wissenschaflter mit Dr. Faustus vergleicht. Die Wissenschaftler haben ihre Seele der Forschung gewidmet und Dr. Faustus hat seine Seele dem Teufel Mephistopheles versprochen, um seine Gier nach Wissen befriedigen zu können. “Ein Faust, der nicht Wissen
, sondern Ruhm gewinnen will.” (Seite 79)

Die Erzählerin geht auf Seite 112 noch einmal auf den jungen Wissenschaftler Peter Hagelstein ein. Sie berichtet über ihre Recherchen, wonach sie erfährt, dass er Livermore verlassen habe. Sie erwähnt, dass sie “erneut über die Schicksale und Entscheidungen des modernen Faust nachdenken” müsse. Die Hoffnung, dass die Forscher in Zukunft ihre unnötigen, zerstörenden Erfindungen noch einmal durchdenken oder diese sogar überhaupt nicht durchführen, bleibt demnach bestehen.

Weiterhin geht die Erzählerin auf die “Gier” auf  Seite 129 ein, wo sie den Roman “Herz der Finsternis” von Joseph Conrad anfängt zu lesen. Es ist eine Erzählung über den Seefahrer Marlow, der in der Kolonialgesellschaft die Umstände beobachtet und beschreibt. In Verbindung mit den erwähnten Wissenschaftlern, die neugierig und ohne Rücksicht auf die Welt bzw. Umwelt Forschungen vornehmen, beruht die Gier der Besetzer der Kolonialgebiete auf Ruhm und Geld. “So redet dieser Mensch zu mir. Wörter wie “Hass” und “Liebe” würde ich bei ihm kaum finden, so scheu. “Gier” gab es häufig. Gier, Gier,Gier”.

Zuletzt möchte ich auf das Märchen “Die drei Männlein im Walde” von den Gebrüdern Grimm eingehen, aus dem die Erzählerin wie folgt zitiert:

“Da hat mir eine Stimme bis in den Schlaf hinein die Stelle aus dem Märchen vorgelesen, in dem die Königin in eine Ente verwandelt ist. In der Nacht aber sah der Küchenjunge, wie eine Ente durch die Gosse geschwommen kam, die sprach: Königssohn, was machst du, schläfst du oder wachst du” (Seite 130).

Dieses Märchen handelt von einem Mädchen, das von der Stiefmutter im Winter in den Wald geschickt wird, um Erdbeeren zu sammeln. Das Mädchen trifft dort auf drei Männlein, mit denen sie ihr Brot teilt und auf ihr Verlangen den Hof fegt. Zur Belohnung sprechen die drei Männlein jeweils einen Wunsch aus. Das Mädchen heiratet daraufhin einen König. Die böse Stiefmutter und ihre Tochter nisten sich bei der guten Königin ein und werfen diese nach der Geburt des Kindes in den Fluss. Sie kommt, verwandelt in eine Ente, an drei Nächten an den Königshof und spricht den oben erwähnten Spruch auf. Am letzten Tag soll der König sein Schwert dreimal über sie schwingen und somit ist der Fluch vorbei. Die böse Stiefmutter und –schwester sprechen bei der Taufe unwissentlich ihr eigenes Urteil aus und werden in einem Fass in den Fluss geworfen.

Die Erzählerin gibt ihre Hoffnung nicht auf, dass die Forscher, die die Mitschuld an dem Reaktorunfall tragen, ihrer Tat entsprechend verantwortlich gemacht werden. Auch sind genau diese Wissenschaftler und ihre Familien von dem Unfall betroffen. Sie haben somit aufgrund der Erfindung der Kernenergie ihr eigenes Urteil ausgesprochen.

Parallel zu der Reaktorkatastrophe schildert die Erzählerin über die Operation ihres Bruders, bei dem sie auf die friedliche Nutzung der Technik und der Wissenschaft aufmerksam macht.






Zu der Beantwortung der Frage, warum Intertextualität benutzt wird, möchte ich mich wie folgt äussern:

Die Autorin Christa Wolf hat sich an den Merkmalen der postmodernen Literatur bedient und ist in bereits vorhandene Werke intertextuell eingegangen. Sie ist hinter diese Text zurückgetreten und hat die integrierten Romane, Dichtungen etc. von verschiedenen Autoren und Dichtern an ihrer Stelle sprechen lassen. Die Erzählung erschien in der DDR, in einem Staat ohne Meinungsfreiheit. Die Verfasserin schützt sich, indem sie ihre Meinung nicht frei ausspricht. Die Werke, auf die sie sich bezieht, eröffnen dem Rezipienten des Romans einen tiefen Horizont und ermöglichen ihm, den Roman besser zu verstehen.
Die im vorliegenden Buch erzählende Figur ist Schriftstellerin und beruft sich auf ihr interlektuelles Wissen und übermittelt eine umfangreiche Perspektive, womit der Leser dieses Thema deuten kann. Weiterhin werden die Folgen der Atomenergie hervorgehoben.



Serpil Tarhan








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